Bibliothèque Humaniste, Sélestat, Frankreich

Exkursion zur Humanistischen Bibliothek in Schlettstadt

Am Samstag, 7. Juli 2007 ging es vom Treffpunkt Friedrich-Ebert-Platz per Fahrgemeinschaft um 14.00 Uhr nach Frankreich los. Da sich nur ein paar Interessierte einfanden bzw. mehrere ExkursionsteilnehmerInnen sich kurzfristig wieder abgemeldet hatten, fand die Führung um 15.00 Uhr im elsässischen Schlettstadt (Sélestat) in einer kleinen Gruppe mit insgesamt sieben Personen statt.

Die Führung in deutscher Sprache durch die „erste öffentliche Bibliothek“ Schlettstadts wurde in fachkundiger Weise von Frau Marie-Christine Herrmann übernommen. Den historischen Ausgangspunkt der Humanistischen Bibliothek bildete der Literaturbestand der Lateinschule, der im 15. Jahrhundert in einer kleinen Kapelle im Seitenschiff der St.-Georgs-Kirche untergebracht war. Hinzu kam die umfangreiche Privatbibliothek, die ein ehemaliger Lateinschüler, der Humanist Beatus Rhenanus, im 16. Jahrhundert seiner Heimatstadt Schlettstadt schenkte. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Bibliothek in die ehemalige Kornhalle verlegt, wo sie sich noch heute befindet. Die vorhandenen Bestände aus dem 7. bis frühen 16. Jahrhundert umfassen ca. 3000 Handschriften, Drucke und Inkunabeln. Zu sehen sind u.a. Buchexemplare, die zwischen Holzdeckeln eingebunden und mit Ketten an den Regalen befestigt sind (schon damals galt es, Langfingern keine Chance zu geben !). Diese Bücher konnten nur an den Pulten direkt gelesen werden.

In den Vitrinen sind unter Glasabschluß Handschriften zu bewundern, die fast alle auf Pergamentpapier geschrieben wurden. Typisch ist, daß sich oft mehrere Werke in einem Band befinden. So zum Beispiel aus dem 10. Jahrhundert Vitruvs „De architectura libri X“, als karolingische Minuskelabschrift, die die 10 Bücher des Lehrbuchs der Architektur enthält und Beatus Rhenanus im 16. Jahrhundert vom Bischof von Worms geschenkt wurde. Vorbei an kunstvoll gearbeiteten Buchstaben-Minuskeln (Verzierungen von Anfangs-Buchstaben) gelangten wir zum wertvollsten Buch des Bibliothekbestandes: einer lateinischen Bibel in gotischer Schrift aus dem 13. Jahrhundert, mit Holzeinband mit Samt, bestehend aus feinem Pergament, Buchstabeninitialen auf goldenem Hintergrund. Allein 1 Gramm Lapislazuli für die Herstellung der blauen Farbe kostete damals umgerechnet 850 Franc.

Ab dem 15. Jahrhundert werden erstmals gedruckte Bücher möglich. Zuerst als Holzdrucke, dann auch mittels Bleiplatten. Beide Materialien erwiesen sich aber als zu weich. Ende des Jahrhunderts ermöglichte die von Johannes Gutenberg geschaffene Legierung aus Blei, Antimonium und Zink die Herstellung von gegossenen Einzelbuchstaben mit ausreichender Härte.

Die rund einstündige Führung, die die ganze technische Entwicklung des Buches aufzeigte – vom mittelalterlichen Manuskript über das Inkunabel bis zum Druck, vom Pergament bis zum Papier, von der Unzialschrift über die karolingische bis zur gotischen und humanistischen Schrift – endete am Stadtmodell von Schlettstadt, an dem auch sichtbar wurde, woher der Name rührt: „Slette statt“, d.h. „Stadt von Sümpfen umgeben“. Auch heute noch gibt es Sumpf- und Waldgebiete, die im Frühjahr und Herbst regelmäßig überschwemmt werden.

Im Anschluß an die Führung unternahmen die Exkursionsteilnehmer noch einen Rundgang durch die pittoreske Innenstadt, in deren Gassen gerade ein mittelalterliches Fest im Gange war.

Ulrike Schüler