Am 3. August 1914 erklärte das Deutsche Reich – im nachträglich als „Erster“ eingeordneten Weltkrieg – auch Frankreich den Krieg. 100 Jahre später legten genau am Jahrestag der Kriegserklärung der französische Staatspräsident Hollande und der deutsche Bundespräsident Gauck an der bisher eher national (französisch) ausgerichteten Weltkriegsgedenkstätte auf dem elsässischen Hartmannsweilerkopf den Grundstein für ein gemeinsames Versöhnungs- und Gedenkzentrum: das erste deutsch-französische Museum zum Ersten Weltkrieg. Bereits einen Monat zuvor, am 2. Juli, besichtigten Mitglieder des Weiler Vereins für Heimatgeschichte und des Freiburger Arbeitskreises Regionalgeschichte im Rahmen einer von Weil aus organisierten gemeinsamen Exkursion den Ort der Gedenk- und Mahnstätte in den Vogesen.
Geführt wurde die Exkursionsgruppe auf dem ausgedehnten Areal von Gilbert Wagner, einem örtlichen Vertreter des nationalen Komitees für das Monument national du Hartmannswillerkopf. Erster Anlaufpunkt der Besichtigung war der große Sarkophag auf dem Platz über der Krypta, in der sich die sterblichen Überreste zahlreicher unbekannter Soldaten befinden – nicht nur französischer, sondern wohl auch deutscher. Weiter ging es über das enorme Gräberfeld mit langen Reihen von Kreuzen, auf denen Name und Alter von dort umgekommenen (französischen) Soldaten stehen. Bei weitem nicht alle Toten sind bestattet: Menschliche Überreste werden auch heute noch in der Umgebung gefunden (außerdem – noch scharfe – Blindgänger). Anschließend führte der Rundweg durch die alten Schützengräben vorbei an einigen noch erhaltenen französischen und deutschen Unterständen. Die gegnerischen Linien hatten an manchen Stellen kaum 25 Meter auseinandergelegen. Durch bruchsteingemauerte Gräben gelangte die Exkursionsgruppe schließlich zu befestigten Beobachtungsständen mit Sicht auf die Rheinebene. Über drei Jahre lang ist um diese knapp 1000 Meter hohe militärstrategische Schlüsselposition in den Südvogesen erbittert gekämpft worden; fast 9.000 vorwiegend junge Männer brachten hier einander um.
Laut Herrn Wagner sind in der angegebenen Gesamtzahl von „30.000 Opfern“ neben den Toten auch die Verstümmelten und Verletzten sowie die Gefangenen enthalten. Der Ort des Gemetzels hat nicht nur einen, sondern mehrere Namen: „Montagne de la mort“ – Todesberg – und „Mangeur d’homme“ – Menschenfresser – nannten ihn viele der dort verwundeten und verstümmelten Soldaten angesichts ihrer toten Kameraden. Als Hartmannsweiler Kopf bezeichneten die Deutschen den im Ersten Weltkrieg umkämpften Vogesenberg, heute in der Regel Hartmannsweilerkopf geschrieben; Vieil-Armand heißt er auf Französisch, und für die einheimischen Elsässer ist es nach wie vor der Hartmannswillerkopf, also der Gipfel über der Ortschaft Hartmannswiller. Die verschiedenen Bezeichnungen lassen die teils schreckliche, auf jeden Fall wechselvolle Geschichte der Gegend erahnen.
Das Elsass hatte überwiegend seit Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) zu Frankreich gehört. Nachdem aber unter der Führung Preußens ein Bündnis deutscher Kleinstaaten, darunter Baden, Württemberg und Bayern, Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 besiegte, fiel das französisch- und alemannischsprachige Elsass 1871 an das aktuell durch den Zusammenschluss der Kleinstaaten gebildete Deutsche Reich. Ab da verlief in der Region die deutsch-französische Grenze größtenteils auf dem Kamm der Vogesen. Deren die elsässische Ebene beherrschenden Schlüsselstellungen waren deshalb im Ersten Weltkrieg heftig umkämpft.
Die Gedenkstätte Hartmannswillerkopf soll, nicht zuletzt durch das jetzt mit der Grundsteinlegung begonnene Versöhnungs- und Gedenkzentrum, zum Frieden mahnen und an französische wie deutsche Opfer des Ersten Weltkriegs erinnern. Für das Elsass ist das eigentlich nichts Neues, denn genau genommen wird dort bereits seit vielen Jahrzehnten sowohl französischer als auch deutscher Kriegsopfer gedacht. Wer die wechselhafte Geschichte der Region kennt, sieht das schon an den Kriegsdenkmälern, die in Straßburg, Saint-Louis und anderen elsässischen Orten stehen: Unter der Sockelinschrift „A NOS MORTS“ (Unseren Toten) sind dort die Jahreszahlen des Zweiten Weltkriegs, des Indochina- und des Algerienkriegs ebenso eingemeißelt wie die des Ersten Weltkriegs, in dem die Elsässer aber als deutsche Untertanen auf Seiten der deutschen Armee gegen Frankreich kämpften und starben. Der Hartmannsweilerkopf scheint insofern gut geeignet, um transnational die blutig-groteske Absurdität von Krieg zu verdeutlichen. Auf die Ausgestaltung des deutsch-französischen Gedenkzentrums und dessen Ausstellungen darf man gespannt sein.
J. Krause
(Herrn Senf danke ich für seinen Verlaufsbericht, der in den 2. Absatz mit eingeflossen ist.)