Der alte jüdische Friedhof in Freiburg im Breisgau

Eingang zum alten jüdischen Friedhof in Freiburg i. Br. - Foto: J. Krause
Eingang zum alten jüdischen Friedhof in Freiburg i. Br. – Foto: J. Krause

Führung über Freiburgs alten jüdischen Friedhof

Für den 10. Juli 2016 hatte der Arbeitskreis Regionalgeschichte Freiburg e.V. zu einer Besichtigung des mehr als 140 Jahre alten jüdischen Friedhofs in der Elsässer Straße unter der Führung von Ruben Frankenstein eingeladen. Um 16 Uhr fanden sich vor dem Eingangstor neben Arbeitskreismitgliedern auch eine ganze Reihe weiterer Interessenten ein.

Er wird heute alter Friedhof genannt – im Stadtteil St. Georgen existiert inzwischen ein neuer –, er ist aber vermutlich nicht der erste im Raum Freiburg. Denn hier reicht die Geschichte jüdischen Lebens – mit erzwungenen, teils langen Unterbrechungen – mindestens bis 1281 zurück. Und der Flurname „Judenfriedhof“ in Freiburg-Hochdorf könnte darauf hindeuten, dass es dort zumindest zeitweilig einen solchen gegeben hat, der in der langen Zeit des Ansiedlungsverbots für Juden mutmaßlich beseitigt worden ist.

Mit einer Besonderheit wurden die Besichtigungsteilnehmer/innen gleich zu Beginn konfrontiert: Ein Schild am Eingang bat die Männer, auf dem Friedhofsgelände eine Kopfbedeckung zu tragen. Wer trotz der strahlenden Sonne an diesem Hochsommertag keinen Sonnenhut dabeihatte, behalf sich mit einem Taschentuch. Eine zweite Besonderheit sprach Herr Frankenstein an, als er scherzte: Ein armer Mensch kann auf zwei Wegen zu einem dauerhaften Grab kommen – entweder er wird so berühmt, dass die Stadt nach seinem Tod auf ihre Kosten ein Ehrengrab einrichtet, oder er wird Jude. Weil jüdische Gräber (im Gegensatz zu christlichen) nicht nach einer bestimmten Liegezeit geräumt und neu vergeben werden, hat das – kurz vor der Gründung des Deutschen Reichs von der jüdischen Gemeinde gekaufte – Friedhofsgelände unterdessen seine Kapazitätsgrenze erreicht, sodass dort Beerdigungen nur noch in Ausnahmefällen stattfinden.

Dank Herrn Frankenstein erfuhren die Teilnehmer/innen so manches über die auf dem Friedhof begrabenen Menschen. Darunter etwa der Medizinstudent Eduard Salomon, der 1890 bei einem Duell starb, während sein Gegner im Karzer der Freiburger Universität landete. Oder der aus Sulzburg stammende Orientalist Gustav Weil, Übersetzer von „Tausendundeine Nacht“ aus dem Arabischen und Deutschlands erster jüdischer Professor (vorher waren jüdische Akademiker gezwungen gewesen, ihre Religion durch eine christliche Taufe zu verleugnen, ehe sie Professor werden konnten).

An den vorhandenen Grabsteinen lässt sich die Entwicklung und Integration der Gemeinde ablesen. Grabinschriften vor und um 1900 enthalten des öfteren bedeutend mehr hebräische Schriftzeichen als später entstandene und nennen in der Regel beide Namen des Verstorbenen: seinen hebräischen und seinen anders lautenden deutschen (zum Beispiel Menachem Ben Abraham – Emanuel Dreifuss). Grabaufschriften aus der Zeit der Weimarer Republik enthalten oft nur noch kurze hebräische Floskeln (wie „Hier ruht“) und ansonsten deutschen Text, während Inschriften aus der Nazizeit, insbesondere nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, bisweilen nicht mehr als Namen, Geburts- und Sterbedatum nennen.

Nach der nationalsozialistischen Vernichtung der jüdischen Gemeinde wurde sie noch 1945 von Nathan Rosenberger wiedergegründet, der in der Nazizeit eine Zeitlang als Gemeindevorstand von SS-Gnaden tätig gewesen, dann aber ins KZ Theresienstadt gesperrt worden und von dort nach dem Zusammenbruch des Naziregimes nach Freiburg zurückgekehrt war. Auch an ihn und seine Frau Martha erinnert ein Grabmal. Kyrillische Inschriften auf einigen jüngeren Grabsteinen spiegeln die Tatsache, dass Freiburgs israelitische Gemeinde heutzutage in beträchtlichem Maße durch Einwanderinnen und Einwanderer aus Russland, Kasachstan und anderen ehemals sowjetischen Republiken geprägt ist.

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Zur Person: Ruben Frankenstein LL.B. ist in Tel Aviv geboren und lebt seit vier Jahrzehnten in Freiburg, wo er als Publizist, Übersetzer und Dozent für hebräische Sprache und Literatur tätig war und teilweise noch ist. Durch sein Jurastudium in Tel Aviv und Jerusalem, seine neunjährige Tätigkeit als Staatsanwalt in seiner Geburtsstadt sowie durch sein Studium der Germanistik, Judaistik, Geschichte und Volkskunde in Wien und Freiburg verfügt er über ein breit gefächertes Wissen. Als Mitglied der israelitischen Einheitsgemeinde und Gründungsmitglied der egalitären „Chawura Gescher“-Gemeinde ist er aktiver Teil des jüdischen Lebens in Freiburg und hat sich eingehend mit dessen Geschichte befasst. 2009 hat er im Verlag des Stadtarchivs unter dem Titel „Denkmal und Name – Der gute Ort Freiburg“ eine umfangreiche Dokumentation über den jüdischen Friedhof veröffentlicht.

Jürgen Krause